Durch die Mühlenhaupt Höfe

Der Audioguide Open-Air-Museumrundgang des Kurt Mühlenhaupt Museums umfasst 10 Stationen und führt Sie in einer knappen halben Stunde durch die Mühlenhaupt Höfe. Dabei erfahren Sie interessante Details über einzelne Etappen aus Kurt Mühlenhaupts Leben und lernen nebenbei gleich das Museum sowie den idyllischen Hinterhof kennen. Der ehemalige Fabrikhof wird heute von verschiedensten Künstlerinnen und Künstlern mit Leben gefüllt.

Durch Kreuzberg

Der Audioguide Auf Kurt Mühlenhaupts Spuren durch Kreuzberg hat 18 Stationen und führt Sie in zwei Stunden vom Museum in der Fidicinstraße über den Chamissoplatz, durch den Bergmannkiez bis zum Halleschen Tor oder umgekehrt. Dabei treffen Sie auf weitere Kreuzberger “Originale” und Freunde, Weggefährten und die Familie von Kurt Mühlenhaupt: Die “viel zu dicke Grete”, auch Rosi aus dem “Leierkasten”, Rudi Lesser sowie Kurt Mühlenhaupts Bruder Willi u.v.m.

Hören Sie hinein:

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Den Fabrikhof kaufte Kurt Mühlenhaupt 1989. Vor mehr als drei Jahrzehnten entstand hier ein Ort für Kunst, Kultur und Handwerk. Anfangs hatte Kurt Mühlenhaupt im zweiten Hof sein eigenes Atelier und eine Galerie.

Das verwinkelte Grundstück gehörte ursprünglich der Malzbierbrauerei Habel, ab Mitte der 1920er Jahre stellte hier die Denseritwerke AG asbesthaltige Hochdruckdichtungsplatten her.

1948 kaufte die Firma Wittenbecher den Fabrikhof und produzierte Adressierplatten, Reißverschlüsse und schließlich Implosionsschutzrahmen für Fernseh-Bildröhren.

1987 zog Wittenbecher in moderne
Fabrikationshallen nach Lichtenrade und der Fabrikhof stand zum Verkauf.

Wieder in Berlin – Ich lernte den alten Wittenbecher kennen

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Foto © Jürgen Henschel

In der Willibald-Alexis-Straße 18, Vorderhaus zweiter Stock, wohnte der Dichter Gerhard Kerfin (geb. 1935, gest. 2016). Kurt Mühlenhaupt hat drei seiner Gedichtbände illustriert:

  • In den Hosenlatz gesprochen (1970)
  • Wenn Menschensprache verdächtig klingt (1978)
  • Als ich mit Sauriern spazieren ging (1993)

Verlegt wurden sie von Hugo Hoffmann (Atelier Handpresse).

Hören Sie, wie sich der Maler an den Dichterfreund erinnert.

Vom Dichter Gerhard Kerfin

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Sein erstes richtiges Atelier fand Kurt Mühlenhaupt 1970 am Chamissoplatz 8 – damals noch eine Gegend der Armen und Abgehängten. Nach und nach siedelten sich Künstler und Studenten an und mit ihnen die Kneipen. Die Gegend wurde chic. 1975 wurden der Maler Kurt Mühlenhaupt und sein Atelier »wegsaniert«.

Chamissoplatz

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Willy Mühlenhaupt war Kurts 15 Jahre älterer Bruder, er wohnte und arbeitete hier zuletzt über Jahre in einer ehemaligen Fleischerei in der Arndtstraße, zuvor in einem Keller in der Blücherstr. 13. Er war ein wahrhaftig Naiver. Wegen seines Asthmas konnte er nicht mehr als Straßenfeger arbeiten und langweilte sich. Kurt verordnete ihm das Malen. Fortan schuf er Hampelmänner, Hampelfrauen, Hampelkamele, ja sogar hampelnde Dinosaurier, und er lachte wie ein Kind, wenn seine Besucher an den Strippen zogen und sich an den hampelnden Figuren erfreuten.

Onkel Willi, ein wahrhaftiger Naiver

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Schon immer floss der Alkohol am Chamissoplatz reichlich. Auch heute wird man hier nicht verdursten, doch anstatt Schultheiss und Korn, bekommt man Cocktails und Weine. Alles ist »schnieker« geworden und man besucht Bar oder Trattoria anstatt Kneipe oder Stampe.

Der Krämer vom Chamissoplatz

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Als die »dicke Grete« noch am Chamissoplatz saß, wohnten hier Arbeiterfamilien – oft aus der Türkei – auch Künstler und Alkoholiker. Doch »dit Milljöh« hat sich immer weiter verändert. Heute leben hier fast ausschließlich Akademiker. Jeder von denen, die hier wohnen, behauptet von dem, der später zuzog, er habe die Gegend »gentrifiziert«, ganz egal ob das 1970, 1990 oder im Jahr 2000 war.

Die viel zu dicke Grete

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Obwohl Kreuzberg dicht bebaut ist, die Lebensqualität ist hoch. Man geht spazieren, vielleicht am Wasserfall im Viktoriapark oder über den Chamissoplatz oder lässt sich am Landwehrkanal den Wind um die Nase wehen.

Wenn der Wind über den Kreuzberg weht

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In der Solmsstraße 33 lebte ab 1975 bis zu seinem Tod 1988 der Maler und Grafiker Rudi Lesser, einer der besten Freunde von Kurt Mühlenhaupt. Ihm drohte als Kommunist und Jude 1933 die Verhaftung. Er floh über Skandinavien in die USA. 1958 kehrte er zurück und wohnte mehrere Jahre in einer Wohnung über Kurt Mühlenhaupts Kneipe »Leierkasten«, wo er Stammgast war.

Rudi Lesser

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Die Fahrstunden für einen Führerschein kosten viel Geld, das Kurt Mühlenhaupt nicht hatte. Da musste er sich etwas einfallen lassen.

Ich machte meinen Führerschein

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Durch die Kreuzberger Höfe zogen in den 1950er-Jahren noch die Leierkastenmänner. Obwohl Kurt Mühlenhaupt in den 1960er-Jahren bescheiden leben musste, bedachte er den regelmäßig vorbeischauenden Leierkastenmann immer großzügig. Der dankte es ihm und vererbte dem Maler sein wertvolles Instrument – eine originale Bacigalupo-Drehorgel aus der Schönhauser Allee. Das ist so etwas, wie die Stradivari unter den Leierkästen.

Leierkastengeschichten – Wie ich zum Leierkasten kam

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Hier in der Zossener Straße 1 befand sich in dem heute abgerissenen Eckhaus die Galerie-Kneipe „Leierkasten“, die Mühlenhaupt von 1960 bis 1967 gemeinsam mit Rosi Kendziora betrieb. In seiner Trödelhandlung kam Kurt Mühlenhaupt kaum noch zum Arbeiten. Es hatte sich herumgesprochen, dass dort ein seltsamer, origineller Maler anzutreffen war, der zudem als sehr unterhaltsam galt. Irgendwann stieg jeden Abend eine Party. Prominente Autoren wie Henry Miller und Friedrich Dürrenmatt schauten vorbei, Günter Grass wurde Stammgast. Da hatte Mühlenhaupt 1960 eine geniale Idee. Er dachte sich, wenn er eine Kneipe kaufen würde, könnten dort die Schluckspechte bis spät in die Nacht saufen und für ihr Bier auch bezahlen und er hätte wieder Ruhe und käme zum Malen. Aber es kam anders.

Wie sich ein Unglück ausweitet

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Nur zehn Schritte waren es von Kurt Mühlenhaupts Kneipe »Leierkasten« zum Friedhof der Jerusalemsgemeinde. Hier liegen bekannte Maler, Dichter und Komponisten. Auf dem Friedhof der Bethlehemsgemeinde, gleich dahinter, liegt er heute selbst. Der Gottesacker war wie ein Vorgarten zur Künstlerkneipe und es gehörte einfach dazu, dass man den Verstorbenen ab und zu mal ein Glas Korn aufs Grab kippte.

Jerusalem

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In der Blücherstraße 11, heute ein wenig ansehnlicher Neubau, befand sich Kurt Mühlenhaupts Trödelhandlung in einer baufälligen ehemaligen Dampfwäscherei. Eine Trödelhandlung zu betreiben, heißt morgens um sechs Uhr aufzustehen und den Vormittag über Wohnungen auszuräumen. Am Nachmittag hofft man auf Käufer und feilscht mit ihnen. Viel heraus kam dabei für Kurt Mühlenhaupt meistens nicht. Es reichte für ihn gerade so, um die Familie über Wasser zu halten. Doch dann hatte er plötzlich Glück.

Der Serienstanduhrenaufkäufer aus Amerika

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Die mannigfaltigen Dinge in der Trödelhandlung erzählten auch von den Geschichten ihrer vorherigen Besitzer. Die Menschen, die hierherkamen, berichteten von ihren Schicksalen. Die Arbeit im Trödel war Kurt Mühlenhaupts Universität. Hier formte sich seine »Philosophie der Liebe«.

Der Schrankkauf zu Weihnachten

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Bald nach der Flucht von Ost- nach West-Berlin 1958 zog Familie Mühlenhaupt in einen Keller in der Blücherstraße 13, wo sie ein Trödelgeschäft betrieb. Tagsüber bedienten sie hier die Kundschaft und nachts schlief die Familie zwischen den nach Mottenpulver riechenden Pelzmänteln und abgetretenen Perserteppichen. Später bekam die Familie im gleichen Haus eine Wohnung im ersten Stock des Seitenflügels.

Wir fanden eine richtige Wohnung

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In so einem großen Mietshaus weiß jeder von jedem alles. Es bleibt nichts verborgen und wenn man mal etwas verpasst, bekommt man es wenig später brühwarm von der Nachbarin erzählt.

Wenn unser Haus erwacht

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Die Heilig-Kreuz-Kirche ist fast so groß wie der Berliner Dom. Sie wurde 1885 bis 1888 am Rande der stark wachsenden Stadt Berlin errichtet. Nach dem Mauerbau 1961 war sie für die stark schrumpfende Zahl an Gläubigen zu groß. In den 1990er-Jahren umgebaut, entstanden hier Büro- und Veranstaltungsräume. Heute wird an diesem Ort der Zivilgeselllschaft erfolgreich Flüchtlingsarbeit und Obdachlosenhilfe betrieben.

Besuch in der Kirche zum Heiligen Kreuz

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Gäste und Belegschaft von Kurt Mühlenhaupts Kneipe »Leierkasten« trafen sich hier am Halleschen Tor Ende 1960er-Jahre einmal zu einer Dampferfahrt, sozusagen als Betriebsausflug. Daran erinnert sich Kurt Mühlenhaupt im Gespräch mit Hartmut Topf und Hansi Häußler.

Eine Dampferfahrt

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Kurt Mühlenhaupt wird am Sonntag, den 19. Januar 1921, in Klein Ziescht in der Mark Brandenburg geboren, einem Dorf südlich von Berlin mit kaum 200 Einwohnern. Als er auf die Welt kommt, befinden sich seine Eltern im D-Zug auf der Rückreise von Prag, wo sein Vater eine Anstellung gesucht hat. Dieser Zug passiert bis heute Klein Ziescht.

An der nächstgelegenen Bahnstation, in Baruth, kommt der zu früh Geborene mit seiner Mutter zunächst in die Obhut des Bahnhofsvorstehers. Sein Vater sucht in der Nähe eine Unterkunft. Gastwirt Pöschke aus Klein Ziescht stellt der Familie eine Waschküche zur Verfügung. Dort gibt es Stroh und eine Feuerstelle. Der Bürgermeister schaut vorbei und bescheinigt die Geburt standesamtlich. Diese fast biblisch anmutende Geschichte bildet den Gründungsmythos der »Mühlenhaupt-Saga«.

Kurt Mühlenhaupts Geburt: Meine Geburt hielt den Zug zehn Minuten auf

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Zur Einschulung bekam Kurt eine Schultüte. Doch seine war nicht so voll, wie die anderer Kinder, und wieder andere Kinder hatten gar keine Tüte. So war bereits am ersten Tag klar, wer reich und wer arm war.

Kindheit und Jugend: Meine ersten Schultage

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Für den zwölf-jährigen Kurt war der Fackelzug am Abend des 30. Januar 1933 ein aufregendes Erlebnis. Da ahnte er noch nichts davon, dass er nur wenige Jahre später von den Nazis in den Krieg geschickt werden würde.

Nazizeit und Krieg: Der 30. Januar 1933

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Als Mühlenhaupt von der Stasi zum Spitzel angeworben werden sollte, floh er mit seiner kleinen Familie nach West-Berlin. Dort baute er sich ein neues Leben auf.

Übersiedlung: Die Flucht nach West-Berlin

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Um an der Kunstakademie studieren zu dürfen, musste Mühlenhaupt vor Ort eine Prüfung ablegen. Bei der Prüfung lief nicht alles ganz glatt, aber er wurde (vielleicht genau deshalb) angenommen. Als ihm jedoch einer der Professoren jegliche künstlerische Begabung absprach, war das für den jungen Künstler ein schwerer Rückschlag.

Kunststudium: Meine Akademieprüfung

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Auf zahlreichen Reisen, die Mühlenhaupt durch Spanien, Italien und Frankreich bis nach New York führten, entstanden unzählige Bilder. Er malte seine Umgebung und die Menschen um ihn herum. Dabei erlebte er die kuriosesten Geschichten und nahm Anteil an den verschiedensten Schicksalen.

New York: Von den „Pennern“

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Zusammen mit seiner Frau Hannelore kaufte sich Mühlenhaupt eine Quinta an der Algarve. Bis zur Wende lebten sie abwechselnd in Portugal und Berlin. Sie lernten nicht nur Portugiesisch, sondern auch die portugiesische Mentalität zu schätzen.

Portugal: Portugiesische Mentalität

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Auf seinem 1975 gekauften Bauernhof in Kladow entstanden Mühlenhaupts erste steinerne Zwerge. Dort leisteten sie ihm Gesellschaft und verbreiteten ihre Liebe.

Kladow: Die Geburt der steinernen Zwerge

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In mühevoller Arbeit bauten Kurt und Hannelore den alten Gutshof in Bergsdorf wieder auf. Es entstanden ein Museum, ein Kulturzentrum und vor allem ein zu Hause, das die Mühlenhaupts mit ihren zahlreichen Gästen teilten. Bis zu seinem Tod malte Kurt Mühlenhaupt hier trotz schwerer Krankheit weiter.

Bergsdorf: Der Hof in Bergsdorf